Das Wichtigste auf einen Blick:

Das Verhalten einer Führungskraft gegenüber ihren Mitarbeitern bezeichnet man als Führungsstil.
Führungsstile spiegeln eine große Bandbreite an Verhaltensweisen und Überzeugungen von Führungskräften in Unternehmen wider.
Wahrscheinlich kannst du deine Führungskraft einem oder mehreren Führungsstilen zuordnen – daraus kannst du Vorteile ziehen.

Das Verhalten von Menschen ist komplex und lässt sich nur selten in Schubladen einordnen. Für Führungskräfte gilt das selbstverständlich auch. Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen haben allerdings herausgefunden, dass sich der Führungsstil von Führungskräften zumindest näherungsweise in bestimmte Kategorien einordnen lässt – die sogenannten Führungsstile. Der Vorteil für dich als Arbeitnehmer: Kennst du den Führungsstil des Chefs, lohnt sich eine Anpassung deines eigenen Arbeitsverhaltens, um dir einen Vorsprung am Arbeitsplatz zu verschaffen.

Führungsstile: Was das ist und warum du sie kennen solltest

Vereinfacht formuliert bezeichnet der Begriff “Führungsstil” das Verhalten einer Führungsperson gegenüber ihren Mitarbeitern im Unternehmen. Zusätzlich spielt deren grundlegende Persönlichkeitsstruktur eine Rolle. Wie du dir vorstellen kannst, legen Führungskräfte daher unterschiedlichste Verhaltensweisen mit jeweils eigenen Nuancen an den Tag, die irgendwie in vereinfachte Modelle gepresst werden müssen – kein einfaches Unterfangen.

Kurt Lewin und Max Weber haben es vor gut 100 Jahren dennoch versucht. Mit Erfolg: Im Zuge ihrer Untersuchungen haben sie einige Führungsstile definiert, die in den Wirtschaftswissenschaften auch heute noch Anwendung finden. Nützlich sind diese Führungsstil-Modelle zum einen natürlich für den Arbeitgeber: Je nach Branche, Unternehmen und Zielsetzung lassen sich Führungspositionen mithilfe dieser Stile zielgerichteter besetzen sowie die Teams von Führungskräften passender zusammenstellen. Auch können sie von der Führungskraft zur Selbstreflexion herangezogen werden, um eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen und den Führungsstil gegebenenfalls zu optimieren.

Für Mitarbeiter ist es vorteilhaft, den Führungsstil des Vorgesetzten zu bestimmen.

Grundsätzlich gilt: Führungspersonen, die zu einem bestimmten Führungsstil tendieren, sind deshalb weder bessere noch schlechtere Führungspersonen als andere. Für Mitarbeiter ist es dennoch von Vorteil, den Führungsstil ihrer Vorgesetzten zu bestimmen. Denn daraus lassen sich hilfreiche Erkenntnisse ableiten: Reaktionen auf deine Arbeitsergebnisse oder dein Verhalten kannst du dir dann womöglich besser erklären – und das nächste mal gegensteuern. Sogar handfeste Vorteile für deine tägliche Arbeit lassen sich realisieren, wenn du die Führung deines Chefs klassifizieren kannst. Die im Folgenden vorgestellten Modelle sollen dir bei der Einordnung helfen.

Weber oder Lewin: Welcher Typ ist mein Vorgesetzter?

Die Führungsstile, die Weber und Lewin herausgearbeitet haben, gelten in der Wissenschaft als hinreichend gut belegt. Wenn du deinen Vorgesetzten genau beobachtest, wirst du ihn sicherlich (näherungsweise) einem dieser Führungsstil-Modelle zuordnen können, woraus du und deine Teammitglieder möglicherweise einen Vorteil ziehen können. Noch einmal: Alle Führungsstile sind idealtypisch zu verstehen. Führungspersonen werden in die Richtung eines bestimmten Stils tendieren, aber vermutlich auch Einflüsse aus anderen Führungsstilen aufweisen.

Patriarchalischer Führungsstil nach Weber

Wie die Bezeichnung vermuten lässt, nimmt dein Vorgesetzter beim patriarchalischen Führungsstil sozusagen eine strenge, väterliche Rolle ein. Anzutreffen ist dieser Führungsstil meist in kleinen Firmen und Familienunternehmen. Zum Selbstverständnis eines solchen Führers gehört, dass die meisten Entscheidungen von ihm selbst getroffen werden – eine solche Führungsperson lässt sich selten reinreden. Ideen deinerseits – selbst gute – werden bestenfalls zur Kenntnis genommen, im ungünstigsten Fall werden sie als Infragestellen der Autorität der Führungskraft interpretiert. Gehorsamen Mitarbeitern gegenüber gibt sich der Vorgesetzte jedoch fürsorglich.

Patriarchalisch

Regeln befolgen

Arbeiten streng nach Vorschrift: So lautet die Devise, wenn du beim Chef punkten willst. Verbesserungsvorschläge behältst du für dich.

Autokratischer Führungsstil nach Weber

Zucht, Ordnung und in Stein gemeißelte Hierarchie: Davon ist die Unternehmenskultur unter einem autokratischen Führer geprägt. Sämtliche Entscheidungen werden ausschließlich von dieser Person getroffen oder an fest vorgegebene andere Mitarbeiter delegiert. Vorgesetzte, die diesen Führungsstil pflegen, schätzen uneingeschränkten Gehorsam. Insofern gibt es in dieser Hinsicht durchaus Parallelen zum patriarchalischen Führungsstil. In Familienunternehmen ist dieser Führungsstil allerdings seltener an der Tagesordnung. Vielmehr wirst du diesen Typus in streng durchorganisierten, oft staatlichen Organisation vorfinden – etwa bei der Bundeswehr oder der Polizei.

Autokratisch

Disziplin wahren

Mit individuellen Ideen kommst du hier nicht weit. Am besten handelst du streng gemäß der vorgegebenen Hierarchie und fällst auf durch diszipliniertes Arbeiten.

Bürokratischer Führungsstil nach Weber

Dieser Führungsstil ist in gewisser Weise ein Sonderfall, denn hier übt nicht die führende Person, sondern vielmehr die Organisationsstruktur – etwa interne Regelungen, detaillierte Vorschriften und Gesetze – Autorität aus. Deine Vorgesetzten treffen Entscheidungen also ausschließlich auf Grundlage dieser Vorgaben und nicht aus eigener Verantwortung heraus. Oft befinden sie sich sogar lediglich aufgrund längerer Betriebszugehörigkeit und nicht zwingend wegen ihrer Qualifikation oder Kompetenz in einer Führungsposition.

Das demotiviert viele Arbeitnehmer, kann aber auch belebend wirken, da sich ein Karriereaufstieg dadurch relativ einfach bewerkstelligen lässt. Auch wenn dieser Führungsstil in Reinform heute so gut wie keine Anwendung mehr findet, dürfte dir diese Art des Führens bekannt vorkommen, sofern du in einer Behörde oder in politischen Ämtern tätig bist.

Bürokratisch

Durch- & aushalten

Stoisches Bearbeiten täglicher Aufgaben und gewissenhaftes Einhalten der Regeln bringen dich weiter. Vorsicht: Nicht durch fehlendes Mitspracherecht und unflexible Strukturen entmutigen lassen.

Charismatischer Führungsstil nach Weber

Charismatische Führer sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wünscht sich fast jeder einen Chef, der seine Mitarbeiter mit seinem einnehmenden Wesen auf neue Aufgaben einstimmt und Geschäftsideen und neue Ansätze eloquent vermittelt. Chefs, die diesen Führungsstil an den Tag legen, gelten unter den Kollegen entsprechend häufig als Vorbilder. Sie verstehen es, auf natürliche Weise zu motivieren und sorgen bestenfalls für ein angenehmes Betriebsklima und hohe Leistungsbereitschaft.

Andererseits: Antrainieren lässt sich ein charismatischer Führungsstil leider nicht und entsprechende Versuche gehen fast immer nach hinten los. Charisma ist sozusagen angeboren – oder eben nicht. Mitarbeiter, die für einen charismatischen Führer arbeiten, tendieren zudem insgesamt zu einem deutlich höheren Arbeitspensum, was in Extremfällen Ausbeutung und sogar Burnout zur Folge haben kann.

Charismatisch

Skeptisch bleiben

Behalte dein Arbeitspensum im Blick und reflektiere regelmäßig, was deine originären Aufgaben sind. Setze dir selbst entsprechende Grenzen.

Autoritärer Führungsstil nach Lewin

Der autoritäre Führer ähnelt in puncto Führungsstil gewissermaßen dem oben genannten patriarchalischen Führer nach Weber. Das Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter ist durch eine stark ausgeprägte hierarchische Struktur im Unternehmen gekennzeichnet: Entscheidungen werden oben getroffen und unten umgesetzt. Während sich der patriarchalische Führer jedoch einer Fürsorgepflicht verpflichtet fühlt, zählt für den autoritären Führer nur der betriebliche Erfolg.

Oberflächlich betrachtet weist dieser Führungsstil einerseits betriebswirtschaftliche Vorteile auf: Entscheidungen werden nicht lange hinausgezögert, schnell für die Umsetzung freigegeben und die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg ist klar geregelt. Introvertierte Mitarbeiter freuen sich ferner darüber, dass Eigeninitiative in diesem Unternehmensklima quasi keine Rolle spielt, und unerfahrene Mitarbeiter profitieren idealerweise von straff durchstrukturierten Arbeitsabläufen. Andererseits können schwerwiegende Nachteile die Vorteile überwiegen. Etwa wenn ein überforderter autoritärer Führer Aufgaben nicht an Kollegen delegiert, offensichtliche Fehlentscheidungen stur durchboxt oder innovative Ideen von Mitarbeitern nicht gefördert werden.

Autoritär

Schnell reagieren

Entscheidungen werden üblicherweise schnell getroffen. Erwartet wird dann absoluter Gehorsam. Hier heißt es: am Ball bleiben und sofort an die Arbeit.

Kooperativer Führungsstil nach Lewin

Ein Vorgesetzter, der einen kooperativen Führungsstil an den Tag legt, sieht sich deutlicher als andere Führungskräfte als Bestandteil eines Teams. Gute Ergebnisse stehen für ihn im Vordergrund. Diese, so seine Annahme, werden am ehesten dann erzielt, wenn Mitarbeiter aktiv an Entscheidungsfindungen beteiligt werden und eigenverantwortlich handeln. Auf viele Mitarbeiter wirkt dieser Führungsstil motivierend und leistungssteigernd: Mehr Verantwortung fördert die Identifikation mit dem Unternehmen und ein Klima der offenen Kommunikation erzeugt ein Gefühl der gegenseitigen Wertschätzung. Doch es gibt auch Fallstricke:

Mit Dienst nach Vorschrift wirst du es nicht weit bringen, wenn dein Vorgesetzter ein kooperativer Führer ist. Es wird erwartet, dass du Ideen einbringst und Projekte aus eigener Kraft koordinierst. Wenn das nichts für dich ist, wirst du unter einem kooperativen Führer keine einfache Zeit haben. Aufgrund der flachen Hierarchie und mitunter unklar definierten Befugnissen kann es außerdem zu Konkurrenzdenken zwischen Mitarbeitern kommen.

Kooperativ

Mitdenken

Einen kooperativen Führer beeindruckst du durch eine proaktive Arbeitsweise. Punkte sammelst du, wenn du Eigeninitiative beweist und Ideen präsentierst, mit denen du Projekte voranbringen möchtest.

Laissez-faire-Führungsstil nach Lewin

Der Begriff Laissez-Faire (zu deutsch etwa: machen lassen) stammt ursprünglich aus dem Bereich der Pädagogik und bezeichnet einen antiautoritären Erziehungsstil, bei dem Erziehungsberechtigte keinerlei Erziehungsmaßnahmen ergreifen und die Kinder größtenteils sich selbst überlassen. In den Kontext der Führung im Unternehmen übertragen bedeutet das: Führungskräfte greifen beim Laissez-faire-Führungsstil nur minimal in die Arbeitsabläufe ein und selbst wichtige Entscheidungen werden grundsätzlich im Team getroffen.

Natürlich klingt das verlockend: Niemand redet dir rein, jede Menge Freiraum und – vermeintlich – auch sonst kein Druck und wenig Stress. Doch die Freiheit hat ihren Preis: Aufgrund von unklarer Hierarchie und schwammiger Führung existieren praktisch keine Weisungsbefugnisse, Arbeitsanweisungen laufen ins Leere, Wichtiges bleibt liegen. Das ist betriebswirtschaftlich denkbar ungünstig und kann enorm demotivierend auf die Belegschaft wirken. Dauerhaft funktionieren kann dieser Führungsstil allenfalls bei einem perfekt eingespielten Team.

Laissez-faire

Organisieren

Wer sich organisiert, gewinnt: Fehlende Strukturen schaffst du dir eigenständig und deine Ideen kommunizierst du gut aufbereitet. Das beeindruckt nicht nur deinen Vorgesetzten, sondern verschafft dir auch Respekt im Team.

Situativer Führungsstil: der Königsweg? Nein.

Keiner der oben genannten Führungsstile deckt sich zu 100 Prozent mit dem Führungsverhalten deines Vorgesetzten? Kein Wunder. Nur die wenigsten Führungskräfte lassen sich vollständig in dieses enge Korsett pressen. Mitte des 20. Jahrhunderts hat diese Erkenntnis auch in den Wirtschaftswissenschaften dafür gesorgt, dass sich Mischformen und alternative Führungsstil-Theorien etablierten. Das sogenannte situative Führen bzw. der Situative Führungsstil von Hersey und Blanchard ist die wohl populärste dieser Art.

Eine zentrale Annahme des situativen Führungsstils ist, dass Vorgesetzte ihren Führungsstil im Idealfall auf einem Spektrum zwischen den beiden Extremen “Aufgabenorientierung” und “Personenorientierung” einordnen und ihren Stil entsprechend variieren, sobald es nötig wird. Wann genau er in welche Richtung tendiert, wird vom sogenannten Reifegrad des Mitarbeiters bestimmt.

Vorsicht! Die Theorie des situativen Führungsstils ist intuitiv verständlich und hinterlässt auf den ersten Blick auch einen sinnvollen, durchdachten Eindruck. Leider fehlt ihr, was wissenschaftlichen Theorien eigentlich nicht fehlen darf: Zentrale Bestandteile, die eindeutig messbar und empirisch überprüfbar sind. Bisherige Versuche, die Theorie des situativen Führungsstils mithilfe von Umfragen zu validieren, lieferten zudem kaum Beweise für die Thesen der Autoren bezüglich Reifegraden, Aufgaben- und Personenorientierung.

Auch die Theorie des situativen Führungsstils kann daher allenfalls als Inspiration für eine Führungskraft dienen und keinesfalls als alleinige Grundlage für ihr Führungsverhalten herangezogen werden. Da dieser Führungsstil aber nach wie vor gesteigerte Beliebtheit genießt, folgt hier ein kurzer Abriss. Nicht zuletzt deshalb, damit du erkennst, wenn sich deine Führungskraft schlecht belegter Theorien bedient, um seine Führungsaufgabe zu gestalten.

Aufgabenorientierung vs. Personenorientierung

Aufgabenorientierung beweist eine Führungskraft, wenn sie Aufgaben und die eigene Erwartung an deren Erledigung sehr deutlich kommuniziert. Die persönliche Beziehung der Führungskraft zu den Mitarbeitern spielt bei dieser Herangehensweise keine Rolle.

Genau anders herum ist es bei der Personenorientierung: Führer, die personen- oder beziehungsorientiert vorgehen, fokussieren die zwischenmenschliche Ebene am Arbeitsplatz, legen Wert auf Mitarbeitermotivation und geben regelmäßig ausführliches Feedback.

Was ist der Reifegrad?

Der Reifegrad des Mitarbeiters ist die zweite Variable, die Einfluss auf den Führungsstil des Vorgesetzten hat. Dieser stellt eine Art Kategorisierung des Mitarbeiters in eine von vier Stufen dar:

Reifegrad 1: Der Mitarbeiters ist nicht fähig und nicht willig.
Reifegrad 2: Der Mitarbeiter ist nicht fähig und willig.
Reifegrad 3: Der Mitarbeiter ist fähig, aber nicht willig.
Reifegrad 4: Der Mitarbeiter ist fähig und willig.

Je nachdem, in welche dieser vier Kategorien die Führungskraft den Mitarbeiter verortet, ergibt sich für ihn einer von vier situativen Führungsstilen. Als zentrale Stellschrauben bei der Führung der Mitarbeiter dienen ihm dabei Aufgaben- und Personenorientierung:

Unterweisen (niedriger Reifegrad): Die Führungskraft legt eine hohe Aufgaben- und eine niedrige Personenorientierung an den Tag. Aufgaben werden deutlich und sachlich kommuniziert, die Ergebnisse kontrolliert.
Verkaufen (mäßiger Reifegrad): Der Mitarbeiter ist auf einem guten Weg. Jetzt heißt es: am Ball bleiben, hohe Aufgaben- und Personenorientierung ist das Mittel der Wahl. Aufgaben werden nach wie vor klar vorgegeben, aber die Kommunikation geschieht auf Augenhöhe. Der Mitarbeiter beginnt, die vorgelegten Aufgaben aus einer inneren Überzeugung heraus zu erledigen.
Beteiligen (erhöhter Reifegrad): Die Führungskraft agiert nach wie vor personenorientiert, reduziert aber die Aufgabenorientierung. Sie beteiligt den Mitarbeiter vermehrt an Zielsetzungs- und Entscheidungsprozessen.
Delegieren (hoher Reifegrad): Die Führunsgkraft hat lediglich eine überwachende Funktion, die Verantwortung über die Aufgabe ist vollständig an den Mitarbeiter übertragen. Personen- und Aufgabenorientierung sind jeweils auf niedrigem Niveau, der Mitarbeiter hat hier den höchsten Entscheidungsspielraum.

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