Das Wichtigste auf einen Blick:
Egal um welchen Job es geht, ein gewisses Maß an Stress gehört gelegentlich dazu. Ständige Belastung kann aber auch krank machen. Immer häufiger fällt die Vermutung dabei auf das Burnout-Syndrom – angeblich sogar bei einem Drittel aller Arbeitstätigen. Aber was ist eigentlich dran an der Diagnose „ausgebrannt“? Wir klären auf, was es mit der beruflichen Überlastung auf sich hat.
Das verstehen wir unter einem Burnout
Burnout oder Burnout-Syndrom leitet sich vom englischen „burn out“ ab, was so viel bedeutet wie „ausbrennen“. Im medizinischen Kontext ist die Wendung auch im deutschen Sprachraum geläufig. Sie beschreibt sowohl die starke Überlastung am Arbeitsplatz als auch die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken.
Eine Erkrankung stellt sich in der Regel schleichend ein. Stück für Stück nimmt die Belastung zu, bis sich die Betroffenen nicht mehr aus eigener Kraft befreien können. Am Ende stehen die totale Erschöpfung und Resignation. In solchen Fällen lautet die Vermutung immer häufiger: Burnout-Syndrom.
Das Problem der Burnout-Diagnose
Streng genommen handelt es sich bei Burnout nicht um eine Krankheit. Weder existiert eine einheitliche Definition noch eine Liste von Symptomen oder ein Modell zum Krankheitsverlauf. Selbst bei der Bestimmung der Beschwerden herrscht in der Medizin Uneinigkeit.
Was als Krankheit gilt und was nicht, bestimmt in der Regel die sogenannte ICD-10, also die internationale Klassifikation gültiger Erkrankungen. Sie enthält allerdings keinen Eintrag zu Burnout – zumindest nicht als eigenständige Krankheit. Erwähnung findet das Syndrom nur indirekt. Unter der Ziffer Z73.0 wird es als Beispiel für „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ angeführt.
Da es keine eindeutige Definition für das Burnout-Syndrom gibt, liegen auch keine präzisen Zahlen zu Erkrankungen vor.
Berufliche Überlastung: Eine Nebendiagnose
Bei Burnout handelt es sich – im Gegensatz zur Behandlungsdiagnose – um eine sogenannte Nebendiagnose. Sie kann hinzugefügt werden, wenn bereits eine andere Krankheit festgestellt wurde, und erfüllt somit gewissermaßen den Zweck einer Randbemerkung.
Stellt ein Arzt zum Beispiel eine Depression fest, kann er Burnout als genauere Einordnung zum Krankheitsverlauf vermerken. So gibt die Nebendiagnose Aufschluss über den jeweiligen Krankheitsverlauf.
Einige Experten führen alle Burnout-Beschwerden auf andere Krankheiten zurück – zum Beispiel auf eine Depression oder eine Angststörung. Andere schätzen das Syndrom sogar als reine Modekrankheit ein. Sie erklären die Krankheit vor allem durch ein wirtschaftliches Interesse. Burnout sei vor allem dazu geeignet, unnötige Behandlungen zu verschreiben. Auch die unrechtmäßige Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit könne als Erklärung dienen.
So wird Burnout durch den Arzt festgestellt
Bei Burnout handelt es sich also im Grunde nicht um eine Krankheit. Trotzdem leidet der Patient an den ganz realen Beschwerden der Überlastung. Diese müssen behandelt werden, um den Betroffenen vor Schaden zu bewahren. Auch gängige Folgeerkrankungen stellen ein Problem dar – zum Beispiel in Form einer Depression.
Da es keine einheitlichen Vorgaben für die Diagnose gibt, müssen sich Ärzte anders behelfen. Statt Symptomen dienen vor allem Beschwerden als Hinweis, die besonders häufig im Zusammenhang mit Burnout auftreten. Auch typische Umstände der Erkrankung können als Indiz für den Burnout dienen. Daher achten Mediziner besonders auf das Arbeitsumfeld des Patienten.
Mitunter helfen Fragebögen bei der Orientierung, zum Beispiel das sogenannte Maslach-Burnout-Inventar. Es wurde als Teil der Burnout-Forschung entwickelt – um herauszufinden, was Burnout überhaupt ist. Eigentlich ist der Fragebogen also nicht zur praktischen Anwendung geeignet.
Wiederkehrende Beschwerden
Im Zusammenhang mit Burnout tauchen vor allem drei Beschwerdebereiche immer wieder auf.
- Erschöpfung: Die Betroffenen kämpfen sowohl mit körperlicher als auch mit geistiger Erschöpfung. Teilweise diagnostizieren Ärzte daher auch ein chronisches Müdigkeitssyndrom statt des Burnouts. Diese Fehleinschätzung kann eine Behandlung unnötig hinauszögern.
- Entfremdung vom Arbeitsplatz: Jeder hat mal einen schlechten Tag. Wer an Burnout leidet, empfindet die Arbeit jedoch ausnahmslos als enorme Belastung. Oft verhalten sich Erkrankte auch abweisend und zynisch gegenüber ihren Kollegen, wodurch sich das Arbeitsklima zusätzlich verschlechtert.
- Verringerte Leistungsfähigkeit: Erkrankte bemerken schnell, dass sie immer öfter an ganz rudimentären Aufgaben scheitern. Das kann die Erkrankung bei besonders ehrgeizigen Menschen zusätzlich verschlimmern. Manchmal verbeißen sich die Betroffenen geradezu in Problemen fest und überlasten sich so noch stärker.
Folgeprobleme der Überlastung
Bei vielen Patienten beschränken sich die Beschwerden nicht nur auf den Arbeitsplatz. Auch das Privatleben der Betroffenen leidet unter den Folgen des Burnouts. Zudem können sich weitere körperliche Symptome einstellen:
- Engegefühl in der Brust
- Schwindel
- Schlafstörungen
- erhöhtes Unfallrisiko durch mangelnden Schlaf
- Probleme mit alltäglichen Aufgaben
- körperliche Schmerzen
- Arbeitsunfähigkeit
- Verstimmung und erhöhte Aggressivität
- Vernachlässigung von Freunden und Familie
- Isolation
- Depression
Begünstigende Faktoren für eine Erkrankung
Burnout hängt – im Gegensatz zu einer Depression – hauptsächlich von äußeren Faktoren ab. Dazu zählen sowohl hoher Erfolgsdruck als auch beruflicher Stress. Einige Arbeitsumfelder und Berufe sind dabei auffallend häufig betroffen. Auch Personengruppen mit bestimmten Charaktereigenschaften neigen vermehrt zum Burnout. Dazu zählen
- Perfektionisten und Workaholics,
- Personen mit hoher Hilfsbereitschaft,
- Menschen mit geringem Selbstbewusstsein oder Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und
- Harmoniebedürftige mit Hang zur Konfliktvermeidung.
Jeder dieser Typen hat vor allem Schwierigkeiten mit dem Neinsagen. Treffen solche Menschen auf ein stressiges Arbeitsumfeld, wird es kritisch. Je mehr der Job von den Betroffenen fordert, desto stärker engagieren sie sich. Mit jedem Nachgeben wachsen die Anforderungen weiter – bis sie irgendwann nicht mehr bewältigt werden können.
Ein Beispiel: Ein besonders hilfsbereiter Mitarbeiter greift einem Kollegen unter die Arme. Anstatt seine Probleme selbst anzugehen, verlässt der Kollege sich fortan gern auf seinen Helfer. Immer häufiger bittet er ihn um Unterstützung. Nach einiger Zeit laden auch andere Mitarbeiter ihre Sorgen bei dem hilfsbereiten Mitarbeiter ab. Anstatt sie abzuweisen, versucht dieser stattdessen, jedem Einzelnen zu helfen. Das schafft er natürlich nicht.
Noch ein Beispiel: Ein ehrgeiziger Arbeitnehmer erledigt seine Aufgaben stets pünktlich und zur vollsten Zufriedenheit. Da er so effektiv ist, erhält er immer öfter Sonderaufträge. Mit der Zeit fällt es ihm jedoch immer schwerer, seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Anstatt sich seine Überlastung einzugestehen, macht er weiter wie bisher. Die Resultate seiner Arbeit werden zunehmend schlechter – und er immer frustrierter.
Besonders anfällige Berufsgruppen
Burnout lässt sich daher vermehrt in bestimmten Berufsfeldern mit hoher Belastung beobachten. In diesen Jobs arbeiten besonders ehrgeizige oder engagierte Menschen. Dazu gehören:
- Ärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger
- Lehrer
- Priester
- Psychologen
- Sozialarbeiter
- Manager, Unternehmensberater, Führungskräfte
- Berufe mit regelmäßigen Nachtschichten
Behandlung von Burnout: Unterschiede zur Depression
Obwohl sich Depression und Burnout ähneln, gibt es zum Teil große Unterschiede bei der Behandlung. So fällt es häufig schwer, eine Depression auf äußere Ursachen zurückzuführen. Sie entsteht meist spontan und ohne jeden erkennbaren Grund. Symptome wie Niedergeschlagenheit beziehen sich auf alle Lebensbereiche – nicht nur auf den Arbeitsplatz.
Burnout entwickelt sich dagegen langsam und nur unter bestimmten Voraussetzungen am Arbeitsplatz. Das Syndrom kann also klar auf innere und äußere Umstände zurückgeführt werden. Sie finden sich im Zusammenspiel aus Job und dem schädlichen Verhalten des Erkrankten. Wer die Ursachen des Burnouts bekämpft, bekommt auch die Krankheit in den Griff.
Behandlungsansatz: Arbeit am eigenen Verhalten
Im Zentrum der Behandlung steht das Verhalten des Patienten, zum Beispiel im Rahmen einer Therapie. Ein Arbeitsplatzwechsel empfiehlt sich dagegen nur in Ausnahmefällen als Lösung. Denn eine Kündigung ist immer ein folgenreicher und riskanter Schritt. Außerdem setzen sich die Probleme wahrscheinlich an einem anderen Arbeitsplatz fort, wenn der Patient nicht an seinem Verhalten arbeitet.
Die Behandlung mit Medikamenten bietet ganz ähnliche Risiken. Sie können die Beschwerden des Burnouts zwar lindern, allerdings bleiben die Ursachen weiterhin bestehen. Das ist natürlich keine dauerhafte Lösung.
Viele Burnout-Patienten zeigen zudem ein erhöhtes Risiko für Suchterkrankungen. Auch das muss ein Arzt beim Verschreiben von Medikamenten berücksichtigen.
Besondere Schwierigkeiten bei der Behandlung
An konkreten Ursachen kann natürlich leichter gearbeitet werden als an einer schwerer greifbaren Depression. Die Verhaltensmuster der Patienten stellen Ärzte jedoch vor ganz andere Herausforderungen.
Bei ihnen handelt es sich häufig um Menschen, die niemandem zur Last fallen wollen. Auch Perfektionisten gestehen sich ihre Mängel nur ungern ein. Beide Gruppen spielen ihre Probleme daher häufig herunter – was eine Therapie deutlich erschwert.
Burnout behandeln: Das kann dein Arzt tun
Welche Behandlungsformen in Betracht kommen, hängt ganz von dem Krankheitsverlauf und der Bewertung des Arztes ab. Eine Psychotherapie bietet sich insbesondere für schwere Fälle an.
Kann der Patient seine Situation nicht aus eigenem Antrieb verbessern, muss eine ambulante oder stationäre Behandlung erfolgen – betreut durch einen Arzt oder Psychotherapeuten.
Prävention: So vermeidest du die Überlastung
Es kommen allerdings auch andere Formen der Behandlung infrage. Erkennt ein Arzt die Tendenz zum Burnout früh genug, können bereits leichtere Methoden Erfolge erzielen.
- Kurse für besseres Stressmanagement
- Progressive Muskelentspannung
- Sport- und Bewegungstherapien
- Sozial- und Ergotherapie
- Yoga, Gymnastik oder Pilates
Arbeitgeber haben vereinzelt auf den Trend zur Überlastung reagiert. Um das Risiko eines Burnouts zu verringern, halten einige Unternehmen sogenannte Retrospektiven ab. Dabei handelt es sich um regelmäßige Meetings, bei denen das Befinden und die Arbeitsbelastung im Fokus stehen. Jeder darf sprechen und seinen Kummer äußern. So sollen vergangene Fehler erkannt und zukünftig vermieden werden.
Tipps: So verringerst du das Burnout-Risiko
Ein Burnout entwickelt sich meist langsam und unauffällig. Daher kann es helfen, hin und wieder auf das eigene Verhalten zu schauen. So lassen sich Auffälligkeiten bereits beheben, bevor sie zu Gewohnheiten werden.
Lerne, Nein zu sagen
Auch wenn es nicht immer leichtfällt – manchmal kann ein simples „Nein“ wahre Wunder wirken. Wer ausschließlich anderen hilft, hat irgendwann keine Zeit mehr für seine eigenen Probleme. Am Ende kann ein Burnout stehen – und so bist du deinen Kollegen natürlich auch keine Hilfe.
Erkenne dein Limit
Wahre Größe bedeutet auch, sich selbst nicht zu überschätzen. Jeder hat ein Limit – auch Perfektionisten. Wenn du deine Belastungsgrenze zu lange ignorierst, können selbst einfache Aufgaben mit der Zeit unlösbar werden. Für gute Ergebnisse sind also nicht nur Leistungen wichtig, sondern auch Pausen.
Schätze deine eigenen Erwartungen realistisch ein
Damit du deinen Ansprüchen gerecht werden kannst, müssen sie zuerst einmal realistisch sein – sonst ist eine Enttäuschung vorprogrammiert. Auch das kann langfristig zum Burnout führen. Daher solltest du versuchen, nicht zu viel von dir zu verlangen.
Lege ausreichend Pausen ein
Kaffee, Energy-Drinks oder Medikamente ändern nichts daran, dass du erschöpft bist. Sie verzögern den Zustand der Überlastung nur. Wenn es nicht mehr geht, ist eine Pause grundsätzlich die sinnvollste Maßnahme.
Lege dein Arbeitspensum fest
Es kann außerdem helfen, vorab feste Grenzen zu vereinbaren. Sprich mit deinen Kollegen und Vorgesetzten über ihre Erwartungen. Am besten vereinbarst du vorab einen Zeitrahmen für die Bewältigung der Aufgabe. So vermeidest du ständig wachsende Berge von Anfragen – und vor allem unnötigen Stress.
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