Das Wichtigste auf einen Blick:
Etwa ein Prozent der Weltbevölkerung leben mit der Diagnose Autismus – und nur wenige von ihnen haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Hochfunktionale Autisten können häufig eine hervorragende Ausbildung vorweisen, doch die Herausforderungen besonders im sozialen Bereich bereiten ihnen Schwierigkeiten im Berufsalltag. Im folgenden Artikel gehen wir auf die besonderen Fähigkeiten und Bedürfnisse von Autisten ein und erklären, was Arbeitgeber und -nehmer tun können, um ein effizientes Arbeiten zu ermöglichen.
- Was ist Autismus?
- Autisten auf dem Arbeitsmarkt
- Potentiale von Autisten im Berufsleben
- Herausforderungen für Autisten im Berufsalltag
- Mögliche Berufe für Autisten
- Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber tun können, um Kollegen mit Autismus zu unterstützen
- Wie findet man als Autist einen Job?
- Diversicon
- Auticon
- SAP: Autism at Work
Was ist Autismus?
Bei Autismus handelt es sich um eine komplexe Störung des Nervensystems, die sich vor allem auf die Wahrnehmungsverarbeitung sowie die Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit auswirkt. Die sprachlichen, emotionalen, motorischen und interaktionalen Fähigkeiten sind betroffen und führen zu zahlreichen Verhaltensauffälligkeiten, die Autisten von neurotypischen Menschen unterscheiden.
Zentrale Symptome von Autismus sind somit Probleme bei der sozialen Interaktion, der Kommunikation, der Wahrnehmung sowie der Drang zu sich wiederholenden Verhaltensweisen.
Die Symptome von Autismus sind bei Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägt und damit genauso individuell wie die Menschen selbst. Personen, bei denen die Symptome sehr unauffällig sind, werden auch mit dem Asperger-Syndrom diagnostiziert. Da Autismus jedoch auf einem Spektrum existiert, lautet die offizielle Bezeichnung der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung.
Autisten auf dem Arbeitsmarkt
In einer Studie zur Beschäftigungssituation von Menschen aus dem Autismus-Spektrum in Deutschland in 2017 stellte man fest, dass lediglich fünf bis zwölf Prozent der erwerbsfähigen Menschen aus dem Spektrum einer dauerhaften sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Mindestens 45 Prozent der Erwerbsfähigen sind in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt.
Bei diesen fünf bis zwölf Prozent handelt es sich in der Regel um Menschen mit hochfunktionalem Autismus, Asperger-Syndrom oder atypischem Autismus. Circa 40 bis 50 Prozent der Menschen, die mit Autismus diagnostiziert werden, gelten als schwerbehindert und können deshalb nicht am Berufsleben teilnehmen.
Die Problematik
Dass so wenige Autisten einen Job finden, liegt nicht etwa daran, dass sie keinen qualifizierten Berufsabschluss haben. Ganz im Gegenteil: Viele Menschen mit Autismus schließen ihre Schul- und Berufsausbildung überdurchschnittlich gut ab und haben auch akademische Titel.
Und dennoch werden sie nicht eingestellt oder können ihren Job nicht halten. Das liegt vor allem daran, dass die wenigsten Arbeitgeber wissen, was Autismus eigentlich bedeutet. Sie sind von Vorurteilen geprägt; ihr Wissen ist unspezifisch, falsch und einige Symptome des Autismus werden überschätzt und verallgemeinert. Ihnen ist nicht bewusst, welches Potential in Autisten als Arbeitnehmer steckt und welche Herausforderungen sie bewältigen müssen.
Bereits der erste Eindruck im Vorstellungsgespräch führt zu Missverständnissen: So kann die direkte Art von Autisten auf einige unhöflich wirken. Sarkasmus, Ironie und bildliche Sprache sind für sie unverständlich und das Gespräch kommt ins Stocken. Einige Autisten haben außerdem ein Problem mit Berührungen und so wird der freundliche Handschlag abgelehnt – zum Unmut des potentiellen Arbeitgebers.
Doch nur, weil ein Arbeitnehmer Probleme in sozialen Situationen hat, heißt dies natürlich nicht, dass er keine guten Leistungen erbringen kann.
In einer Umfrage von REHADAT im Juli 2019 wurden 205 Menschen aus dem Autismus-Spektrum zu ihrem Berufsleben befragt. Für 72 Prozent lag die größte Herausforderung in sozialen Situationen, 38 Prozent gaben hingegen an, dass ihre Tätigkeit genau zu ihren Fähigkeiten passt.
Daher ist es wichtig, Arbeitgeber und Mitarbeiter über die Besonderheiten der Autismus-Spektrum-Störung aufzuklären, damit ein Arbeitsumfeld geschaffen werden kann, in dem Autisten ihr Potential voll entfalten können.
Potentiale von Autisten im Berufsleben
Menschen aus dem autistischen Spektrum, die als hochfunktional eingestuft werden, sind laut einer Studie der Uniklinik Köln besser qualifiziert als der Durchschnittsbürger. Von den hochfunktionalen Autisten haben 77 Prozent das Abitur, 35 Prozent sogar einen Hochschulabschluss. Im Bundesdurchschnitt haben laut der Agentur für Arbeit nur 33 Prozent der neurotypischen Deutschen das Abitur und nur 15 Prozent einen Hochschulabschluss.
Doch abgesehen von der fachlichen Qualifikation gibt es einige Verhaltensweisen, die für Menschen aus dem Autismus-Spektrum typisch sind und ihnen weitere Vorteile im Berufsleben einbringen.
Ehrlichkeit
Autisten zeichnen sich durch ihre direkte und ehrliche Kommunikation aus. Sie sagen offen, was sie denken, ohne versteckte Anspielungen. Auch Lügen sind ihnen fremd – ihre Arbeitgeber und Kollegen können also mit ehrlichem und direktem Feedback rechnen. Das fördert häufig sogar die gesamte Teamkommunikation, denn Probleme werden schneller angesprochen und gelöst – es kommt zu einem direkteren Umgang im Team.
Präzise Arbeitsweise
Autisten halten sich an Regeln – sie sind für sie logisch und geben ihnen einen festen Rahmen, den sie für ihre Arbeit brauchen. Detaillierte Ablaufpläne und Strukturen verfolgen sie gewissenhaft und erledigen Tätigkeiten dadurch häufig sogar schneller und präziser als ihre neurotypischen Kollegen. Lange Pausen für Small-Talk mit Kollegen haben für Autisten in der Regel keinen Mehrwert. Sie versuchen hingegen, private Gespräche soweit es geht zu vermeiden.
Die Einführung dieser festen Strukturen kommt dem ganzen Team zugute: da zum Beispiel Meetings pünktlich beginnen und enden müssen und einem bestimmten Ablauf folgen, in dem teilweise sogar die individuellen Sprechzeiten festgelegt sind.
Auge für Details
Autisten nehmen die Welt anders wahr als ihre neurotypischen Mitmenschen. Anstatt das große Ganze zu erfassen, sehen sie die Details und setzen diese zu einem Gesamtbild zusammen. Statt des Baumes sehen sie zunächst die einzelnen Blätter und Zweige und schließen daraus, dass es sich um einen Baum handelt.
Dies hilft ihnen dabei, Muster und Strukturen zu erkennen und Fehler in Systemen schnell und zuverlässig zu entdecken. In extremen Fällen können Fehler sogar ein körperliches Unwohlsein bei Autisten auslösen.
Spezialinteressen
Viele Autisten haben Spezialinteressen. Diese sind jedoch nicht mit normalen Hobbys vergleichbar. Autisten befassen sich dabei intensiv mit einem Thema über Monate oder Jahre hinweg. Die ständig wiederholende Vertiefung in dieses Thema gibt ihnen dabei Sicherheit. Sich nur oberflächlich mit wechselnden Interessen zu beschäftigen, ist für sie hingegen langweilig oder auch anstrengend.
Die Themen-Gebiete sind dabei breitgefächert und können im Berufsleben von großem Vorteil sein. In einer Umfrage von REHADAT aus dem Jahr 2018 gaben Autisten zum Beispiel folgende Themen als Spezialinteresse an:
Herausforderungen für Autisten im Berufsalltag
Menschen aus dem Autismus-Spektrum haben im Alltag mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen – und dies wirkt sich natürlich auch auf ihr Berufsleben aus. Sie müssen Herausforderungen bewältigen, die für neurotypische Menschen selbstverständlich sind.
Sozialverhalten
Wie bereits zu Beginn erwähnt, haben viele Autisten Probleme bei der Kommunikation. Die Interaktion mit anderen Menschen und somit auch Arbeitskollegen wird für sie schnell zur Herausforderung. Sie können die Emotionen anderer Menschen und nonverbale Signale nur schwer deuten – Witze, Redewendungen und Ironie erschließen sich ihnen nicht.
Häufig sind sie selbst in ihren Kommunikationsfähigkeiten eingeschränkt, sprechen monoton und ohne Körpersprache. Dadurch wirken sie auf andere unfreundlich oder verkrampft. Da sie nicht intuitiv wissen, wie sie auf eine Frage oder Small-Talk reagieren sollen, kann es passieren, dass Autisten ihr Gegenüber durch eine sehr direkte Antwort, ein unangebrachtes lautes Lachen oder gar eine zu detaillierte Rückmeldung vor den Kopf stoßen. Sie haben Schwierigkeiten, zu erkennen, wann sie mit dem Sprechen an der Reihe sind und wann ein Gespräch beendet ist. Menschen aus dem Autismus-Spektrum fällt es außerdem häufig schwer, Blickkontakt zu halten.
Sollten die Kollegen nichts von der Autismus-Diagnose wissen, kann dieses Verhalten sehr schnell befremdlich wirken und sogar zu Konflikten im Arbeitsalltag führen.
Umweltreize
Die Tastatur klappert, ein Kollege schlürft seinen Kaffee, der andere spricht am Telefon und zwei weitere unterhalten sich auf dem Flur – was für viele normale Bürogeräusche sind, kann für Autisten zu einer echten Belastung werden.
Menschen aus dem Autismus-Spektrum können Umweltreize – also Sinneseindrücke wie Gerüche, Geräusche und Bilder – weniger gut filtern. Sie nehmen alle Details auf einmal war, was schnell zu einer Reizüberflutung führt. Das Rauschen des Verkehrs bei offenem Fenster, zu grelles Licht und Stimmengewirr kann so zu Erschöpfungszuständen führen. Gleichzeitig ist es jedoch auch möglich, dass sie in bestimmten Bereichen reizunempfindlich sind und zum Beispiel Schmerzen oder Kälte kaum wahrnehmen.
Fehlende Flexibilität
Autisten neigen zu wiederholenden Verhaltensmustern – sie brauchen eine feste Routine und benutzen zum Beispiel jeden Tag genau denselben Weg zur Arbeit, tragen die gleiche Kleidung oder essen eine bestimmte Mahlzeit.
Es ist für sie daher sehr schwierig, auf (plötzliche) Veränderungen zu reagieren. Termine müssen weit im Voraus geplant werden und auch spontane Telefonate sind für viele Autisten problematisch. Änderung im Arbeitsablauf werfen sie schnell aus der Bahn und es kann sogar sein, dass sie auf unbestimmte Zeit ausfallen.
Autisten brauchen zwar eine gewisse Struktur, können sich jedoch gleichzeitig so sehr in eine Aufgabe vertiefen, dass sie jegliches Zeitgefühl verlieren. Ihr Hang zum Perfektionismus trägt ebenfalls dazu bei, dass sie viel zu viel Zeit in Details investieren. Auch Multitasking stellt eine große Herausforderung dar. In diesem Fall muss genau kommuniziert werden, welche Aufgaben eine höhere Priorität haben.
Mögliche Berufe für Autisten
Da sich viele Autisten durch eine logische und analytische Denkweise auszeichnen, nehmen sie häufig Jobs als Informatiker an. Das Programmieren und Testen von Software sowie das Verwalten von Datenbanken ist besonders einfach für Autisten. Sie können selbst kleinste Fehler in Codes mit Leichtigkeit erkennen. Doch nicht jeder interessiert sich für Informatik oder auch Mathematik.
Es wird deutlich: Autisten können in einer Vielzahl an Berufen arbeiten. Wichtig sind dabei vor allem die eigenen Interessen und Fähigkeiten, so wie bei jedem anderen Bewerber auch. Je nach Ausprägung der Symptome stehen ihnen viele Arbeitsbereiche offen. Dies zeigte sich auch in der REHADAT-Umfrage „Mit Autismus im Job“ aus dem Jahr 2018. In dieser beteiligten sich zum Beispiel:
- Ingenieure
- IT-Spezialisten
- Ärzte
- Lehrkräfte
- Handwerker
- Juristen
- Archivare
Da Autisten jedoch mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben, ist es wichtig, dass ihr Arbeitsalltag und die Arbeitsumgebung an ihre Bedürfnisse angepasst wird. Das ist natürlich nicht in jeder Branche uneingeschränkt möglich – dennoch können Arbeitgeber einige Maßnahmen ergreifen, um Menschen aus dem Autismus-Spektrum ein angenehmes Arbeiten zu ermöglichen.
Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber tun können, um Kollegen mit Autismus zu unterstützen
Die Einschränkungen, die Menschen mit der Autismus-Spektrum-Störung erleben, lassen sich häufig durch eine geringe Anpassung der Tätigkeit, des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung verbessern. Es gibt einige Hilfsmittel und organisatorische Veränderungen, die bei der Eingliederung von Autisten im Job helfen können. Unabhängig von der Branche ist dabei wichtig, dass Autisten klare und stabile Arbeitsverhältnisse haben, die vertraut und vorhersehbar sind.
Klare Arbeitsanweisungen
Autisten benötigen eine klare Beschreibung ihrer Arbeitsaufgaben. Arbeitsanweisungen sollten so präzise wie möglich sein und am besten schriftlich festgehalten werden – eine Priorisierung der einzelnen Aufgaben ist ebenfalls von Vorteil. Eindeutige Aussagen ohne Redewendungen, Ironie oder Doppeldeutigkeit sind hier besonders wichtig. Es ist außerdem hilfreich, wenn der autistische Mitarbeiter eine feste Ansprechperson im Betrieb hat.
Strukturierte Arbeitsabläufe
Ein strukturierter Tagesablauf ist für fast alle Autisten essentiell – das gilt auch für die Arbeit. Die Arbeitsabläufe müssen zeitlich und terminlich fest geplant sein. Viele Autisten bevorzugen einen Wochenplan, an den sie sich halten können. Spontane Termine, Telefonate oder Veränderungen sollten am besten vermieden werden.
Autisten bevorzugen es, in ihrem eigenen Tempo, ohne Zeitdruck und Unterbrechungen zu arbeiten. Daher ist es wichtig, genügend Zeit für die einzelnen Aufgaben einzuplanen und kurzfristige Deadlines zu vermeiden.
Soziale Kontakte
Autisten haben Schwierigkeiten in sozialen Situationen – das bedeutet nicht, dass sie komplett von ihren Kollegen abgekapselt werden sollten. Jedoch stellen soziale Treffen wie Betriebsausflüge oder das gemeinsame Essen in der Kantine eine außerordentliche Belastung für Autisten dar.
Sie sollten daher für solche Firmen-Events freigestellt werden. Schon der Small-Talk in kleinen Gruppen während der Mittagspause kann zu einer Reizüberflutung führen. Ein stiller Rückzugsort, an dem der autistische Mitarbeiter entspannt seine Pause verbringen kann, hilft dabei, Stress zu vermeiden.
Umgebungsreize vermindern
Autisten reagieren sensibel auf Umgebungsreize wie Gerüche, Geräusche, Farben oder Temperaturen. Daher ist es von Vorteil, wenn sie einen ruhigen und reizarmen Arbeitsplatz bekommen. Ein Großraumbüro oder Arbeitsplätze, an denen viele Kollegen vorbeilaufen, sind eher ungeeignet. Am besten sind Einzel- oder Zweierbüros, bei denen die Möglichkeit besteht, Fenster und Türen zu schließen. Hilfreich ist es außerdem, auf die telefonische Kommunikation zu verzichten und dafür schriftliche Kommunikationswege zu nutzen.
Eine weitere Option ist die Arbeit aus dem Home-Office – so können Autisten entspannt in einer bekannten Umgebung arbeiten.
Hilfsmittel
Der Arbeitgeber hat außerdem die Möglichkeit, einige Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die den Arbeitsalltag für Autisten erleichtern. So können schon Noise-Cancelling-Kopfhörer oder Sichtblenden am Arbeitsplatz dabei helfen, eine Reizüberflutung zu verhindern. Ein elektronischer Terminkalender mit Erinnerungsfunktion, ein Kurzzeitmesser und die visuelle Kennzeichnung von Räumen und Gegenständen helfen beim Zeitmanagement und der Orientierung.
Da einige Autisten auch motorische Einschränkungen haben, können besondere Computereingabegeräte wie Tastaturen mit größeren Tasten oder Computermäuse mit Trackingball bei der Arbeit helfen.
Mentoring
Eine weitere Möglichkeit, um einen autistischen Mitarbeiter besser einzugliedern, ist ein Mentor-Programm. Dabei wird ein erfahrener und einfühlsamer Mitarbeiter zum Ansprechpartner bei fachlichen und auch persönlichen Belangen des Autisten. Es ist von Vorteil, wenn der Mentor räumlich nah an der zu betreuenden Person arbeitet oder sich sogar ein Büro mit ihr teilt.
Der Mentor ist in diesem Fall nicht zwangsläufig jemand, der schon zuvor über ein umfangreiches Wissen zu der Diagnose Autismus verfügte. Schulung von Job-Coaches oder anderen Experten können dem Mentor dabei helfen, den Autisten zu unterstützen. Der Mentor kann dann wiederum andere Kollegen über die Besonderheiten des Autismus-Spektrums aufklären.
Job Coaching
Eine weitere Hilfestellung bietet ein Job-Coaching von externen Fachkräften. Dabei findet eine betriebsinterne Schulung des Mitarbeiters statt. Diese ist genau auf die bestimmte Person und ihre Arbeitsumgebung ausgerichtet. Dieses Job-Coaching gibt es nicht nur für Menschen mit Autismus, sondern richtet sich generell an Menschen mit einer Behinderung, die Unterstützung bei der Eingliederung in einen Betrieb benötigen.
Wie findet man als Autist einen Job?
Menschen, die Teil des Autismus-Spektrums sind, können ebenfalls einiges tun, um sich erfolgreich für einen Job oder eine Ausbildung zu bewerben. Wo genau sie in dem Spektrum stehen, ist dabei zunächst einmal unerheblich: Sie sollten wissen, welche Stärken sie haben, was ihnen Freude bereitet und wo ihre persönlichen Herausforderungen liegen.
Sie entscheiden selbst, wem sie von ihrer Diagnose erzählen. Autisten sind nicht dazu verpflichtet, dies gegenüber einem Arbeitgeber oder Kollegen offenzulegen. Denn der Arbeitgeber oder Ausbilder sucht in erster Linie jemanden, der die notwendige fachliche Qualifikation für die Stelle mitbringt.
Ehrlichkeit kann die Zusammenarbeit jedoch häufig erleichtern und Missverständnissen vorbeugen. Ein Gespräch gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses oder der Ausbildung – vielleicht sogar innerhalb des Bewerbungsgesprächs – bietet die Möglichkeit, zu erklären, welche Form des Autismus vorliegt und welche Herausforderungen im Berufsalltag bestehen.
Die meisten Menschen haben gar keine Vorstellung davon, was Autismus eigentlich bedeutet. Die Beschreibung von konkreten Situationen, in denen es zu Kommunikationsproblemen, Reizüberflutungen oder Missverständnissen kam, zeichnen ein genaueres Bild. Das bietet dem Gegenüber die Chance, Fragen zu stellen und sich mit der Diagnose auseinanderzusetzen. Anschließend können sie gemeinsam daran arbeiten, das Arbeitsumfeld effektiv zu gestalten.
Wie genau das aussieht, hängt natürlich am Ende von dem Arbeitgeber/Ausbilder und der Unternehmenskultur ab und läuft in der Praxis nicht immer reibungslos ab. Sehr viele Autisten haben Probleme damit, einen Beruf zu bekommen oder zu halten – ihre Kommunikationsschwäche macht ein offenes Gespräch, das für eine Zusammenarbeit wichtig ist, zu einer scheinbar unüberwindbaren Hürde. Allerdings gibt es einige Institutionen, die genau hier helfen können.
Diversicon
Diversicon ist ein Unternehmen, das neurodivergenten Menschen dabei hilft, eine Ausbildung oder einen Job zu bekommen und zu halten. Sie bieten verschiedene berufsvorbereitende und -begleitende Kurse für Autisten an.
Kurse zur Berufsvorbereitung
Diversicon hilft Autisten dabei, ihre persönlichen Stärken zu erkennen und einen Beruf zu finden, der zu ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen passt. In den Kursen sollen Autisten das nötige Selbstbewusstsein erlangen, um ihre beruflichen Ziele zu verfolgen. Hier lernen sie auch bestimmte Methoden kennen, die sie im Arbeitsalltag entlasten können.
Innerhalb dieser Kurse werden zum Beispiel folgende Fragen besprochen:
Bewerbungsbegleitung
Neben den Kursen zur beruflichen Entwicklung unterstützt Diversicon Autisten auch während ihrer Bewerbungsphase. Sie helfen den Teilnehmern dabei, eine Bewerbung zu erstellen, eine Strategie zu entwickeln und unterstützen sie von der Arbeitsplatzsuche bis zum finalen Vorstellungsgespräch. In diesen Kursen können Bewerber zum Beispiel darüber sprechen, wenn sie nicht genau wissen, was in einem Bewerbungsgespräch von ihnen erwartet wird. Sie lernen, wie sie mit ihrer Diagnose während der Bewerbung umgehen und wie sie sich präsentieren.
Personalvermittlung
Da Diversicon mit vielen gut ausgebildeten Teilnehmern arbeitet, vermitteln sie diese auch an interessierte Unternehmen. Der große Vorteil dabei ist, dass sie die Autisten, mit denen sie arbeiten, sehr gut kennen: So können sie die Fähigkeiten, Stärken und die Bedürfnisse der Bewerber mit dem Angebot des Unternehmens abgleichen.
Diversicon hat autistische Mitarbeiter erfolgreich in zahlreiche Branche vermittelt:
- Ingenieurwesen
- Buchhaltung
- Nah- und Fernverkehr
- Software-Analyse
- Empfang
- Gastronomie
- Content-Management
- Bildbearbeitung
- u.v.m.
Job-Coaching
Diversicon richtet sich auch an Autisten, die bereits einen Job haben und dennoch nach Unterstützung suchen, um diesen zu halten. Im Rahmen eines Coachings wird erarbeitet, wie sie Herausforderungen im Arbeitsalltag bewältigen können, wie die Teamkommunikation verbessert werden kann und wie Autisten mit ihren Kollegen über ihre Diagnose und den daraus resultierenden Bedürfnissen sprechen können.
Mitarbeiterschulungen
Natürlich sind auch Unternehmen gefragt, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Autisten entspannt und leistungsstark arbeiten können. Daher hilft Diversion ihnen dabei, Fördermöglichkeiten zu beantragen, und baut mit Schulungen Autismus-Kompetenzen bei den Mitarbeitern auf.
Weitere Institutionen für Autisten
Mittlerweile gibt es auch lokale Institutionen wie Diversicon, die sich auf die Förderung von Autisten spezialisiert haben: So bietet das Ravensburger Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) der Stiftung Liebenau Berufsausbildungen für Autisten an – mit autismusgerechten Arbeitsplätzen, geschulten Ausbildern, kleinen Berufsschulklassen und professioneller psychologischer Begleitung.
Auch der Fachdienst für Autismus und Arbeit in der Region Aachen bietet Unterstützung für Autisten, die ihren Job verloren haben, keine passende Arbeits- oder Ausbildungsstelle finden oder gar nicht wissen, was für sie infrage kommt. Sie organisieren Bewerbungstrainings, Potenzialanalysen, Vermittlung und Begleitungen bei den Vorstellungsgesprächen sowie die Schulung von Arbeitgebern.
Einige Unternehmen haben es sich jedoch selbst zur Aufgabe gemacht, Autisten einzustellen und zu fördern. Dazu gehört zum Beispiel Auticon.
Auticon
Auticon ist eine internationale IT-Beratung, die ausschließlich Autisten als IT-Consultants beschäftigt. Das Unternehmen passt sich an die besonderen Bedürfnisse von Autisten an, um ihre kognitiven Stärken und fachlichen Kompetenzen vollständig auszuschöpfen.
IT-Consultants arbeiten an Kundenprojekten, die ihren individuellen Fähigkeiten entsprechen. Sie werden dabei aktiv in das Projektteam des Kunden integriert. Das Besondere: Die autistischen IT-Consultants werden von Job Coaches betreut. Diese sorgen für die optimale Gestaltung des Arbeitsplatzes vor Ort, helfen dem Mitarbeiter dabei, sich auf das spezifische Projekt vorzubereiten und klären das Team des Kunden über die Stärken und Bedürfnisse des IT-Consultants auf. Sie sind also ein Mittelsmann zwischen dem Auftraggeber und dem autistischen Mitarbeiter, um ein reibungsloses Arbeiten zu ermöglichen.
Des Weiteren steht den Mitarbeitern von auticon ein Projektmanager zur Seite, der sie bei technischen und fachlichen Fragen unterstützt und sie bei ihrer persönlichen Entwicklung begleitet. Die Unterstützung ist dabei immer genau auf den jeweiligen Mitarbeiter zugeschnitten und findet nur im gewünschten Umfang statt.
SAP: Autism at Work
Das Technologie-Unternehmen SAP startete im Jahr 2013 ebenfalls eine Kampagne, um Autisten im Berufsleben einzugliedern. Das Projekt „Autism at Work“ unterstützt Autisten, die sich bei SAP bewerben möchten und passt die Arbeitsumgebung an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter an.
Bewerber erhalten einen detaillierten Ablauf des Bewerbungsprozesses. So bekommt das Verfahren eine klare Struktur, auf die sich autistische Bewerber besser vorbereiten können. Die Personaler von SAP achten bei der Bewerbung besonders darauf, welche Interessen dem Bewerber wichtig sind. Nur, wenn er diese in seinem Beruf ausleben kann, ist eine langfristige Einstellung möglich. Sollte keine passende Stelle dabei sein, landet die Person dennoch in einem Bewerberpool und wird bei Bedarf erneut kontaktiert.
Auch SAP arbeitet mit einem Mentoren-Programm und erhält in Deutschland Unterstützung durch den Integrationsfachdienst Heidelberg-Mosbach und der Schwerbehindertenvertretung. So soll sichergestellt werden, dass die Arbeitsumgebung und die Rahmenbedingungen zu dem jeweiligen Mitarbeiter passen. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses gibt es außerdem ein Teamtraining, bei dem wichtige Elemente wie Reizüberlastung im Büro besprochen werden können.
Bildnachweise: Dragon Images / Shutterstock.com ;Radachynskyi Serhii / Shutterstock.com; FabrikaSimf / Shutterstock.com