Das Wichtigste auf einen Blick:
Work-Life-Blending (zu Deutsch etwa “Vermischung von Arbeit und Leben”): Das ist zweifellos eine moderne, elegant anmutende Wortschöpfung, die nach Freiheit, Selbstbestimmung und -verwirklichung klingt. Tatsächlich ist mit diesem Begriff aber nichts anderes als die Entgrenzung von Arbeit und Privatleben gemeint. Klingt schon nicht mehr so toll, oder?
Falls dein Arbeitgeber angekündigt hat, Elemente dieses Arbeitszeitmodells an deinem Arbeitsplatz einzuführen (oder zumindest laut darüber nachdenkt), lohnt es sich definitiv, genauer hinzuschauen. Hier erfährst du deshalb, was Work-Life-Blending ist – und welche Vor- und Nachteile dieses Konzept mit sich bringt.
Was ist Work-Life-Blending?
Work-Life-Blending bezeichnet die Verschmelzung von Bestandteilen der Arbeitswelt und des Privatlebens. Dies kann Auswirkungen auf fast beliebig viele Facetten des täglichen Lebens haben – also zum Beispiel soziale Faktoren sowie zeitliche und räumliche.
Arbeit findet beim Work-Life-Blending nicht mehr in einem fest definierten Zeitfenster, zum Beispiel zwischen 9 und 17 Uhr, und auch nicht immer an ein und demselben Ort oder in Gesellschaft von Kollegen statt. Im Extremfall gibt es keine festen Arbeitszeiten und keinen eindeutigen Feierabend. Prominente Beispiele für diese Philosophie sind einige große Techfirmen im Silicon Valley: Mitarbeiter leben und arbeiten mitunter zu Hunderten in einem eigens für das Unternehmen geschaffenen Mikrokosmos. Güter des täglichen Bedarfs, Sportangebote, Bars – und natürlich Büros, Workstations und Kollegen – befinden sich stets in Reichweite. Arbeit ist überall, Freizeit ist überall.
Doch nicht nur bei den Global Playern hat die neuartige Philosophie Einzug gehalten. Vor allem die Digitalisierung von Alltag und Berufsleben begünstigt diesen Trend auch im Mittelstand. Du arbeitest im Homeoffice? Du checkst nachts E-Mails im Flugzeug? Dann befindest du dich schon mittendrin.
Oft verschmelzen Arbeit und Privatleben in Firmen, ohne dass die Geschäftsführung dies eindeutig beschlossen hat – eben weil es für Work-Life-Blending keine trennscharfe Definition gibt. Insgesamt ist es daher einfacher, Work-Life-Blending nicht als absoluten Zustand zu verstehen, sondern die Arbeits- und Privatlebenssituation auf einer Skala einzuordnen: von völlig voneinander entkuppelt bis hin zu derart vermischt, dass eine Abgrenzung kaum noch möglich ist.
Entgrenzung ist abhängig von der Branche
So gibt es beispielsweise branchenübergreifend mal mehr, mal weniger Möglichkeiten, Work-Life-Blending zu implementieren. Einige Berufsgruppen haben theoretisch völlige Wahlfreiheit, sofern ihr Arbeitgeber die Rahmenbedingungen bereitstellt. Börsenmakler, Designer und Autoren können nachts aufwachen, zum Kühlschrank gehen und die zündende Idee haben, auf die sie während einer regulären Arbeitszeit nie gekommen wären. Sie können auf der Bahnfahrt in den Urlaub den entscheidenden Kontakt herstellen oder den wichtigsten Deal ihres Lebens einsacken.
Ein Bergarbeiter kann all dies nicht. Untertage gibt es keine Rückzugsorte und zu Hause in der Küche keine Braunkohle. Eine Kassiererin kann im Zugabteil keine Waren scannen, der Lagerarbeiter dort nicht Gabelstapler fahren. Ist die Möglichkeit, Arbeit und Privatleben durch Work-Life-Blending zu verschmelzen, also tatsächlich ein Privileg von Büroarbeitern, das mehr Lebensqualität generiert? Bedingt. Besonders dann, wenn Bestandteile eines solchen Arbeitsmodells vom Arbeitgeber vorgegeben werden, kann die vermeintlich gewonnene Freiheit im Arbeitsleben schnell zur Qual werden. Es ist daher enorm wichtig, zu wissen, worauf man sich einlässt.
Work-Life-Blending: Vorteile
Viele Kritiker des modernen Konzepts beteuern, dass die Vorteile für Arbeitgeber überwiegen. Durch Homeoffice beispielsweise sparen Unternehmen Fixkosten wie Miete, Strom, Reinigungs- und Heizkosten, profitieren aber gleichzeitig von grenzenloser Flexibilität ihrer Arbeitskräfte – denn Mitarbeiter sind oft auch dann verfügbar, wenn sie andernfalls im Feierabend wären. Doch Work-Life-Blending kann auch Angestellten unbestritten Vorteile bieten. Die Chancen, die sich durch ein gut implementiertes Work-Life-Blending für dich ergeben, sind vielfältig:
Work-Life-Blending: Nachteile
Trotz oder gar wegen der fast völlig freien Zeiteinteilung ergeben sich für Mitarbeiter teils heftige Nachteile aus der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben. Denn wenn die Grenzen zwischen Berufsleben und Freizeit, Wochenende und Alltag verschwimmen, fehlt eine eindeutig definierte Phase des Abschaltens – häufig ist aber ein klarer Cut nötig, um eine Weile auf andere Gedanken zu kommen und am nächsten Tag frisch ans Werk zu gehen. Nur so können neue Perspektiven eingenommen, Probleme aus anderen Blickwinkeln betrachtet und schließlich gelöst werden – das ist gerade in kreativen Berufen oder für Führungskräfte essenziell. Fehlt dir jedoch ein solcher Ausgleich, lässt schnell deine Performance nach, was sich negativ auf deine Motivation und schließlich auf deine Zufriedenheit niederschlägt. Schlimmstenfalls droht in naher Zukunft der Burnout. Und es kann noch mehr schiefgehen:
Tipps für die Arbeit mit Work-Life-Blending
In vielen Unternehmen (oder zumindest in einigen Bereichen) ist Work-Life-Blending in der Arbeitswelt auf dem Vormarsch. Für immer mehr Arbeitgeber erscheinen die Vorteile des Arbeitsmodells einfach als zu verlockend. Gerade in Ausnahmesituationen wie der globalen Corona-Pandemie sind Maßnahmen wie Homeoffice in einigen Branchen nahezu alternativlos, wenn der Geschäftsbetrieb weitergehen soll. Sich als Arbeitnehmer gegen die Einführung entsprechender Maßnahmen zu stemmen, ist in den meisten Fällen also aussichtslos. Aber: Es gibt durchaus Möglichkeiten, die neue Arbeitssituation so zu organisieren, dass die Nachteile nicht so schwer ins Gewicht fallen und sich die Vorteile des Modells auch für Arbeitnehmer entfalten.
- Arbeit protokollieren: Dies mag dem Grundgedanken des Konzepts widersprechen, doch es verhindert effizient, dass du dich überarbeitest. Jede Stunde, jede Minute, die du mit einer Tätigkeit verbringst, die nicht zu deiner Freizeit gehört, wird aufgeschrieben. Ausnahmslos. Gerade anfangs wirst du dir selbst dabei übertrieben penibel vorkommen. Doch dieses Vorgehen nützt beiden Seiten: dir, weil du dich vor Selbstausbeutung schützt, und deinem Arbeitgeber, weil er mehr von dir hat, wenn du deinen Job erledigst, ohne dich auszubrennen, und somit langfristig mehr leisten kannst.
- Offline sein: Alles aufgeschrieben und ungefähr acht Stunden gearbeitet? Gut, dann mache Feierabend. Dazu gehört auch, das Arbeitshandy abzuschalten und den Laptop beiseitezulegen. Bitte nicht falsch verstehen: Überstunden sind hin und wieder notwendig, besonders wenn dringend Fristen eingehalten werden müssen. Sie dürfen aber nicht zur Angewohnheit werden. Schon gar nicht, wenn sich Privatleben und Arbeitszeit ohnehin auch an anderen Stellen vermischen.
- Nutze die Vorteile: Arbeitnehmer, die stark reglementierte Arbeitsbedingungen gewohnt sind, scheuen sich oft davor, durch Work-Life-Blending gewonnene Freiheiten auch tatsächlich auszuspielen. Hier ist also Überwindung gefragt: Erfülle deinen Arbeitsvertrag, aber nimm auch private Termine wahr. Mache Work-Life-Blending zu einem Deal, der sich für beide Seiten auszahlt.
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