Das Wichtigste auf einen Blick:
Eine wichtige Deadline rückt näher – doch anstatt sich der Arbeit zu widmen, vertrödeln wir unsere Zeit lieber mit Nebensächlichkeiten. Auf einmal ist alles um uns herum wichtiger als die eigentliche Aufgabe und die fristgerechte Fertigstellung rückt in weite Ferne. In solchen Fällen ist häufig von Prokrastination die Rede. Was das Wort bedeutet und wie du dagegen vorgehen kannst, erfährst du hier.
Prokrastination – Definition des Begriffs
Die Bedeutung des Begriffs “Prokrastination” leitet sich aus dem lateinischen Verb procrastinare ab. Es setzt sich aus den beiden Silben pro (für) und crastinus (morgig) zusammen und bedeutet so viel wie „auf morgen schieben“. Heute bezeichnet das Wort vor allem das Verzögern einer bestimmten Aufgabe. Dabei kann es um den Job, aber auch um ganz alltägliche Aufgaben wie das Arbeiten an einem Lebenslauf gehen.
Ungewöhnlich ist dieses Verhalten allerdings nicht grundsätzlich – manchmal kommt eben alles auf einmal. Dann müssen wir uns wohl oder übel für eine Aufgabe entscheiden und uns eben später um den Rest kümmern.
Anders sieht es jedoch aus, wenn sich aus diesem Verhalten ein regelrechter Zwang entwickelt. Wer Aufgaben grundsätzlich auf den allerletzten Drücker erledigt oder sich konsequent von der Arbeit ablenkt, der hat wahrscheinlich ein Prokrastinationsproblem.
Vermeidungsaufschieber und Erregungsaufschieber
Prokrastination gibt es überall, sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatleben. Grundsätzlich lässt sich das Verhalten zwei Typen zuordnen: dem Erregungsaufschieber und dem Vermeidungsaufschieber.
Beim Vermeidungsaufschieber handelt es sich gewissermaßen um den Regelfall. Ihm geht es vor allem darum, einer unangenehmen Tätigkeit aus dem Weg zu gehen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht. Ob Anrufe oder spontane Putzaktionen, alles hält als Ausrede her, um eine unliebsame Aufgabe weiter und weiter aufzuschieben oder sich währenddessen abzulenken.
Dem Erregungsaufschieber geht es dagegen vor allem um den Adrenalinschub. Je näher eine Deadline rückt, desto größer der Kick beim Prokrastinieren. Ohne diesen Druck fällt es ihm deutlich schwerer, sich zu motivieren oder produktiv zu arbeiten.
Hierbei handelt der Erregungsaufschieber meist aktiv und bewusst – weniger riskant wird das Verhalten dadurch allerdings nicht. Misslingt die Planung oder kommt etwas dazwischen, steht sein Job plötzlich auf dem Spiel. Mehrere Abmahnungen und eine ordentliche Kündigung sind häufig die Folge.
Warum prokrastinieren wir?
Während es für den Erregungsaufschieber vor allem um das Hochgefühl des Prokrastinierens geht, kommen beim Vermeidungsaufschieber eine ganze Reihe von Gründen infrage. Dazu gehören:
- Versagensangst
- Selbstzweifel
- Leistungsdruck
- unrealistische Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit
- die Idee, dass die Aufgabe zu einem späteren Zeitpunkt einfacher wird
Prokrastination – ein Teufelskreis
Einige dieser typischen Auslöser verstärken sich sogar gegenseitig. So entsteht häufig ein Teufelskreis, aus dem der Betroffene nur schwer ausbrechen kann. Hier ein typischer Gedankengang:
- Ich habe Angst, bei einer Aufgabe zu versagen.
- Da ich nervös und gestresst bin, sollte ich die Aufgabe lieber später erledigen.
- Ich habe nur noch wenig Zeit. Deswegen befürchte ich, etwas falsch zu machen.
Ist Prokrastination eine Krankheit?
Jeder hat mal ein Motivationstief, das ist ganz normal. Von Prokrastination sprechen wir erst, wenn dieses Verhalten besorgniserregende Ausmaße annimmt – zum Beispiel, wenn es zwanghaft oder über einen langen Zeitraum auftritt. Auch Probleme im Arbeitsalltag weisen häufig auf einen Ernstfall hin.
Handelt es sich bei der Prokrastination also um eine echte Erkrankung, die behandelt werden muss? Ja und nein. Zwar gibt es durchaus Fälle, in denen eine andere Krankheit den Auslöser für das Verhalten darstellt. Eine eigene Diagnose stellen Ärzte aber grundsätzlich nicht. Das bestätigt auch ein Blick in die Fachliteratur. Keiner der medizinischen Leitfäden enthält nämlich einen entsprechenden Eintrag zur Prokrastination – weder der ICD-10 noch der DSM-5. Eine Liste mit Symptomen oder Behandlungsmethoden liegt damit ebenfalls nicht vor.
Die Folgen der Prokrastination
Zwar handelt es sich bei der Prokrastination selbst nicht um ein medizinisches Leiden, krank macht das Verhalten aber trotzdem. Schwierigkeiten im Berufs- oder Privatleben können zum Beispiel langfristig eine Depression auslösen. Zu den bekanntesten Folgeerkrankungen gehören außerdem:
- Angstzustände
- innere Unruhe
- Verspannungen
- Schlafstörungen
- Magen- und Verdauungsprobleme
- Herz- und Kreislaufbeschwerden
Mittel gegen die Prokrastination
Gelegentliches Aufschieben stellt im Prinzip noch kein Problem dar, solange es sich nicht um eine krankhafte Angewohnheit handelt. So weit muss es allerdings nicht kommen. Wer rechtzeitig eine Tendenz zum Prokrastinieren erkennt, kann mit diesen einfachen Methoden etwas dagegen unternehmen.
Realistische Erwartungen
Wer seine Erwartungen grundsätzlich zu hoch ansetzt, ist am Ende stets unzufrieden. Anstatt sie zu erledigen, zögert er seine Aufgaben so lange es geht hinaus oder ignoriert sie ganz. Nicht die beste Ausgangssituation für Höchstleistungen. Daher ist es wichtig, die eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen. Bisherige Leistungen können dafür als Anhaltspunkt dienen.
Dabei geht es allerdings keineswegs um einen Standard, den du stets erfüllen musst. Vielmehr zeigen diese Erfolge, was du unter den richtigen Bedingungen erreichen kannst. Wer weiß – vielleicht übertriffst du sie ja am Ende ganz unerwartet.
Struktur, Prioritäten, Pausen
In einigen Situationen kann es bereits helfen, sich eine Struktur zu schaffen, beispielsweise mit einer Prioritätenliste. Sie hält unmissverständlich fest, was zuerst und was zuletzt erledigt werden muss.
Eine ähnliche Lösung bietet sich bei ständigen Ablenkungen und Unterbrechungen an. Hier eignet sich ein Zeitplan, der Arbeitsphasen und Pausenzeiten strikt voneinander trennt. So stellst du sicher, dass du deine Zeit möglichst effizient nutzt.
Bei dieser Strategie ist jedoch Vorsicht geboten, damit sich die Planung nicht zu einer neuen Gelegenheit für das Prokrastinieren entwickelt. Verbringst du mehr Zeit mit dem Einteilen als mit dem Arbeiten? Dann läuft wahrscheinlich etwas schief.
Ablenkungen vermeiden
Kollegen, Bürolärm und Unterbrechungen gehören in der Regel zum Arbeitsalltag dazu. Trotzdem gibt es viele Möglichkeiten, um Ablenkungen zumindest zu reduzieren.
Das beinhaltet zunächst einmal unnötige Störquellen – beispielsweise überflüssige Browserfenster und Tabs. Was du nicht für die Arbeit benötigst, solltest du dauerhaft schließen. Minimierte Fenster sind dagegen eine schlechte Idee. Sie verführen nur zum erneuten Öffnen und halten dich von der Arbeit ab.
Andere Ablenkungen gaukeln uns stattdessen vor, sie wären eigentlich Teil unserer Arbeit. Besonders beliebt: das ständige Checken des E-Mail-Postfachs. Zwar kostet uns das Überprüfen meist nur wenige Minuten, auf den Tag verteilt summieren sich diese Unterbrechungen jedoch. Richte deshalb feste Zeiten zum Lesen ein – je nach Bedarf einmal oder mehrmals am Tag. So sparst du Zeit, die du stattdessen für wichtige Aufgaben benötigst.
Das gilt natürlich nicht, wenn du dich gerade auf der Stellensuche befindest. Hast du gerade zum Beispiel eine wichtige E-Mail-Bewerbung verschickt, solltest du deine Nachrichten stets im Auge behalten.
Sinn des Aufschiebens kritisch hinterfragen
Je weiter wir eine Aufgabe hinauszögern, desto schwieriger wird es, sie zufriedenstellend zu erledigen. Dafür sorgen Unterbrechungen, Zeitnot und Stress meist ganz von allein. Ständiges Aufschieben steht also im direkten Widerspruch zu dem, was sich uns eigentlich wünschen: Erfolg und Anerkennung.
Stattdessen stellen wir uns durch das Prokrastinieren selbst ein Bein. Warum also nicht rechtzeitig anfangen und die bestmöglichen Bedingungen wählen?
Lästige Aufgaben abhaken
Natürlich sind manche Aufgaben angenehmer als andere, im Berufsleben haben wir es jedoch mit dem gesamten Spektrum zu tun. Bei den wirklich lästigen Tätigkeiten handelt es sich in der Regel aber um Ausnahmen – sobald sie vom Tisch sind, können wir uns wieder angenehmeren Dingen widmen.
Prokrastination im Alltag bekämpfen
Häufig entsteht der Eindruck, die Prokrastination selbst müsse bekämpft werden, damit wir uns anschließend wieder unserem Alltag widmen können. Das funktioniert jedoch in der Regel nicht besonders gut. Dafür ist der Lösungsansatz schlicht und ergreifend zu unkonkret.
Stattdessen ist es sinnvoller, das Problem da anzugehen, wo wir es direkt beeinflussen können – im Alltag. Wer sein Verhalten entsprechend ändert, hat auch kein Problem mit der Prokrastination.
Anfangen
Lösungsvorschläge und Strategien können natürlich hilfreich sein. Das gilt jedoch nur, wenn du sie tatsächlich anwendest – sonst bringt dich auch der beste Ratgeber nicht weiter. Am Ende hilft nämlich nur eines: anfangen. Je konkreter das Ziel, desto besser.
Absprache mit Kollegen
Manchmal besteht gar nicht die Notwendigkeit, sich mit einer unangenehmen Aufgabe herumzuquälen. Eine kurzes Nachfragen bei den Kollegen wirkt mitunter Wunder. Vielleicht erledigt jemand anders den Job tatsächlich sogar gern oder tauscht im Gegenzug eine seiner Aufgaben. So gehen alle Beteiligten entspannter durch den Alltag, ohne dass jemand einen Nachteil davon hat.
Natürlich gibt es auch Aufgaben, die niemand gern erledigt. Hier kann es helfen, sie abwechselnd mit deinen Kollegen zu übernehmen. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.
Prokrastination – diese Maßnahmen solltest du unterlassen
Nicht nur die Prokrastination, auch einige Lösungsansätze bereiten häufiger Schwierigkeiten. Manche liefern keine echten Resultate, andere schaffen sogar neue Ablenkungen und verschlimmern das Problem noch. Die folgenden Ratschläge solltest du daher lieber ignorieren.
Belohnungen
Hierbei soll der Betroffene einen Anreiz schaffen, indem er sich für seine Leistungen belohnt. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich so aus einem zwanghaften Verhalten ein weiteres entwickelt. Suchtverhalten wie Essstörungen können die unangenehme Folge sein.
Diese Methode ist nicht nur gefährlich, sie ändert auch nichts am eigentlichen Problem. Unangenehme Aufgaben gibt es schließlich immer und überall. Daher ist es besser, sich mit ihnen zu arrangieren.
Aufräumen
Mitunter sind Aufräum- und Planungsphasen unumgänglich für die eigentliche Arbeit. Allerdings dienen großangelegte Putzaktionen meist als willkommene Ablenkung. Daher solltest du dich stets fragen, ob du vielleicht gerade einer anderen Verpflichtung aus dem Weg gehst.
Fristen vorverlegen
Eine andere bedenkliche Strategie sieht vor, Fristen künstlich vorzuverlegen. Dabei tut der Betroffene so, als müsse er zum Beispiel eine Hausarbeit einen Tag früher abgeben und fängt entsprechend früher an. Auf diese Weise hat er später mehr Zeit übrig und muss weniger hetzen – zumindest in der Theorie. In Wirklichkeit benötigt der Betroffene aber genau so viel Zeit wie zuvor. Ablenkungen und Unterbrechungen fallen so nur scheinbar weniger ins Gewicht.
Mitunter misslingt der Trick sogar. Dann fängt der Betroffene zwar früher an, ist aber trotzdem erst kurz vor der tatsächlichen Deadline fertig. So braucht er im Endeffekt sogar länger als zuvor.
Eine positive Entwicklung sieht definitiv anders aus. Vor allem ändert diese Methode nichts an der eigentlichen Ursache der Prokrastination. Probleme mit dem Zeitmanagement, der Konzentration und der Disziplin bleiben bestehen.
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